Neuigkeiten:

Herzlich Willkommen | Information statt Propaganda

Hauptmenü
Welcome to Sputnik Magazin. Please login or sign up.

10. März 2025, 14:27:51

Login with username, password and session length

Shoutbox

LIVE | EN DIRECT



Top Posters

Jake
3581 Beiträge

Bastian
2976 Beiträge

Urs
2002 Beiträge

Martin
1103 Beiträge

Sebastian
984 Beiträge

Ludwig
756 Beiträge

Michi
753 Beiträge

Armin
681 Beiträge

Recent

Mitglieder
Stats
  • Beiträge insgesamt: 25.237
  • Themen insgesamt: 18.702
  • Online today: 154
  • Online ever: 426 (18. Februar 2025, 06:09:24)
Benutzer online
  • Users: 0
  • Guests: 111
  • Total: 111
111 Gäste, 0 Benutzer

Die scheinheilige Supermacht

Begonnen von Armin, 11. August 2022, 06:30:23

« vorheriges - nächstes »

Armin

Die USA haben ihren Zenit überschritten. Nun versuchen sie alles, um ihre Widersacher zu schwächen. Diese knallharte Machtpolitik verkaufen sie als Politik der Werte. Die naiven Europäer glauben es.



Fortschreibung ihrer Vorherrschaft: Präsident Biden mit Vize Harris (l.) und Parlamentschefin Pelosi.


Mit grosser Empathie hat der Westen auf das Leid der Menschen in der Ukraine reagiert. Millionen Flüchtlinge wurden seit Februar aufgenommen, die ukrainische Regierung erfährt jedwede Unterstützung. Als Antwort auf die russische Invasion haben westliche Regierungen weitreichende Sanktionen gegen den Angreifer verhängt, stets im Bewusstsein einer höheren Moral: Wir sind die Guten, wir stehen auf Seiten der Opfer, die anderen sind die Bösen, die Täter.

Keine Frage, Russland verfolgt hegemoniale Interessen. Der Angriff auf die Ukraine ist uneingeschränkt zu verurteilen. Zur Wahrheit gehört aber auch die Vorgeschichte dieses Krieges, insbesondere die Nato-Osterweiterung sowie der Versuch der USA, die Ukraine zu einem Frontstaat gegen Russland auszubauen. Das unterstreicht einmal mehr die «Charta der strategischen Partnerschaft», im November 2021 von Washington und Kiew unterzeichnet.

Selbstzerstörung aus Solidarität?

Wer die Hintergründe eines Konflikts ignoriert, zieht die falschen Schlüsse und verschärft ihn. Das zeigt sich allem voran in den Sanktionen gegenüber Russland, die den Wohlstand in Europa gefährden – ohne den Krieg zu beenden. Längst hat die moralische Emphase die sachliche Analyse verdrängt, auch um den Preis der wirtschaftlichen Selbstzerstörung.

Das gilt namentlich für Deutschland. Ein halbes Jahrhundert funktionierte die Energiepartnerschaft mit Moskau reibungslos, selbst im Kalten Krieg. Fast über Nacht wurde diese Partnerschaft beendet, allen voran von deutscher Seite. Daraufhin explodierten die Erdöl- und mehr noch die Erdgaspreise. Die Versorgung der deutschen Industrie mit billiger Energie ist Vergangenheit, eine Alternative nicht in Sicht. Kanzler Scholz sprach in einer Talkshow von «Millionen Arbeitslosen», die schlimmstenfalls zu befürchten seien.

Selbstzerstörung aus Solidarität mit der Ukraine? Wem wäre damit gedient? Rechtfertigen die Boykottmassnahmen gegenüber Russland den politisch einkalkulierten Wohlstandsverlust für Millionen Menschen? Die Entscheider in Berlin ignorieren solche Fragen: Die moralische Selbsterhöhung – ein spätes Zerrbild des deutschen Idealismus – gehört in diesen Kreisen längst zur Staatsräson. Vergessen die Worte des SPD-Politikers Egon Bahr, der in den sechziger und siebziger Jahren die deutsche Ostpolitik prägte. Er pflegte zu sagen: «Wenn ein Politiker anfängt, über Werte zu schwadronieren, anstatt seine Interessen zu benennen, wird es höchste Zeit, den Raum zu verlassen.»

In der Tat geht moralische Selbsterhöhung meist mit Realitätsverleugnung und Heuchelei einher. Auch das Beispiel Ukraine zeigt, dass diese Selbsterhöhung nicht etwa Bannerträger einer universellen humanistischen Gesinnung wäre. Vielmehr ist sie Ausdruck eines überaus selektiven Gerechtigkeitsempfindens.

Wer sich über Russland empört und Sanktionen einfordert, sollte sich ehrlich fragen: Weshalb sind vergleichbare Boykottmassnahmen nie gegenüber den USA erhoben worden? Das hätte sich doch angeboten, im Vietnam- und im Irakkrieg, um nur diese beiden Beispiele zu nennen. Natürlich gibt es viele gute Gründe, den russischen Präsidenten anzuprangern. Weshalb aber greifen bei ihm offenbar andere Massstäbe als bei westlichen Akteuren?

Europa und die Noch-Exportmacht Deutschland sollten sich nicht länger für US-Interessen einspannen lassen.

Schreibtischtäter Kissinger

Nehmen wir nur Henry Kissinger. In Europa gilt er meist als visionärer Staatsmann, dem bis heute höchste Ehren zuteil werden – ungeachtet seiner Untaten, die jene Putins weit überbieten. So war der frühere US-Präsidentenberater und -Aussenminister beim Putsch General Pinochets in Chile 1973 entscheidend involviert. Der demokratisch gewählte Präsident Salvador Allende wurde gestürzt, es folgte eine brutale Militärdiktatur. Im Rahmen der «Operation Condor» suchte Washington anschliessend mit Pinochets Hilfe die «marxistische Subversion» in Lateinamerika zu eliminieren, was Zehntausende Regimekritiker und Oppositionelle das Leben kostete.

Bei allen Verdiensten, die Kissinger zukommen mögen: Er war immer auch ein Schreibtischtäter, mitverantwortlich für den Tod Hunderttausender Menschen in Lateinamerika, Afrika und Asien, unter anderem als Mastermind der 1969 aufgenommenen US-Bombenkampagne in Kambodscha, die bis 1973 andauerte, bis zu 150 000 Einheimische das Leben kostete und dem Pol-Pot-Terrorregime den Weg ebnete.

Auch dies zur Erinnerung: Der Nato-geführte Angriff auf Serbien 1999 war nicht weniger völkerrechtswidrig als der russische auf die Ukraine. Und waren die Kriegsverbrechen der Nato und vor allem der USA in Afghanistan (2001–2021) weniger grausam und menschenverachtend als die jetzigen in der Ukraine? Warum werden allein die russischen angeprangert, nicht aber die westlichen? Weshalb suchen westliche Entscheider Wladimir Putin vor einem internationalen Strafgerichtshof anzuklagen, nicht aber George W. Bush oder Tony Blair, die beiden Drahtzieher des auf Lügen und Manipulationen fussenden Irakkrieges?

Überzeugte Transatlantiker, deren moralisches Empfinden meist dort endet, wo es eigenen Interessen weniger dienlich ist, würden den Hinweis auf dergleichen Widersprüche als Whataboutism oder als russische Propaganda abtun. So sehr sind die «Werteorientierten» von der Untadeligkeit ihrer Weltanschauungen überzeugt, dass sie eher in die Wirklichkeit hineinprojizieren, als in ihr zu lesen.

Das mag erklären, warum die deutsche Ampelkoalition selbst um den Preis der wirtschaftlichen Selbstzerstörung Deutschlands gewillt ist, gemeinsam mit Brüssel an ihrem Sanktionsfetischismus festzuhalten – obwohl die massgeblichen Stellen sehr wohl wissen, dass die Wirtschaft der EU und insbesondere Deutschlands noch für Jahre auf russisches Erdgas angewiesen bleibt. Dieses ist übrigens nicht ohne weiteres durch das teurere, umweltschädlichere und zudem knappe Flüssiggas zu ersetzen ist: Beide sind chemisch nicht kompatibel.

Es ist nicht zuletzt eine propagandistische Leistung, die eigene Scheinmoral mit Hilfe gleichgesinnter Medien so zu verkaufen, dass die Öffentlichkeit sie meist kritiklos übernimmt und als richtig empfindet. Die eigene, die westliche Politik gilt dementsprechend als gut und werteorientiert, nichtwestliche als böse und demokratiefeindlich.

Kurzum: Die Welt läuft rund, solange «wir» sie dominieren. Die Amerikaner nennen das «regelbasierte Ordnung» und meinen damit die Fortschreibung ihrer Vorherrschaft. Den Begriff «Völkerrecht» vermeiden sie tunlichst, weil sie selbst ständig dagegen verstossen.

Moralische Selbsterhöhung geht meist mit Realitätsverleugnung und Heuchelei einher.

Skandal: Russland kopiert den Westen

Washington hat über Jahre alle Hebel in Bewegung gesetzt, damit der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag sämtliche gegen die USA anhängigen Verfahren wegen mutmasslicher Kriegsverbrechen in Afghanistan einstellt. Das gelang schliesslich mit Hilfe einer gutgewählten Neubesetzung an der Spitze des Strafgerichtshofs – des Briten Karim Khan. Der legte alle Fälle im vorigen November auf Eis. Stattdessen erhielt er den Auftrag, mit freundlichen Empfehlungen aus Washington und London, mutmassliche russische Kriegsverbrechen in der Ukraine zu untersuchen.

In der hiesigen Politik und den Medien ist stets die Rede vom «russisch geführten Angriffskrieg in der Ukraine». Das ist sachlich nicht falsch und dennoch propagandistisch unterlegt. Oder hat man je vom US-geführten Angriffskrieg im Irak gehört? Oder dem Nato-geführten Angriffskrieg in Serbien, in Afghanistan?

Der russische Angriff auf den Nachbarn ist falsch, zerstörerisch und menschenverachtend. Das allerdings ist für westliche Auguren jenseits wohlfeiler Empörung nicht entscheidend. Der eigentliche Skandal ist aus deren Sicht ein ganz anderer: Russland sucht seine imperialen Ansprüche mit militärischen Mitteln zu erzwingen. Und kopiert damit ebenjenes «Geschäftsmodell», auf das der Westen ein Monopol zu haben glaubt.

Die Geschichte der USA besteht seit der Monroe-Doktrin von 1823 wesentlich aus militärischen Interventionen weltweit, angefangen mit Lateinamerika. Allein die Vorstellung, Washington würde es hinnehmen, wollte sich Mexiko einem Militärbündnis unter Führung Russlands oder Chinas anschliessen, wäre absurd. Russland hingegen hat es hinzunehmen, wenn die USA wie auch die Nato die Ukraine militärisch gegen Russland in Stellung zu bringen suchen.

Eine bewusst genährte Illusion transatlantischer «Werteorientierung» spiegelt sich in der Annahme, der Westen sei geeint, doch stets bedroht von «Spaltung». Insbesondere natürlich von Seiten eines dämonisch die Strippen ziehenden «Putin», auf dessen Person russische Geschichte, Kultur und Politik mittlerweile meist reduziert werden.

Die USA und die EU agieren untereinander aber nicht auf Augenhöhe, und sie haben mitnichten zwangsläufig dieselben Interessen. Wer im beiderseitigen Verhältnis Koch und Kellner ist, unterstreicht das Auftreten von US-Präsident Joe Biden am 7. Februar im Weissen Haus. Im Beisein von Kanzler Scholz dekretierte er, im Fall eines Krieges gegen die Ukraine werde die Pipeline Nord Stream 2 nicht in Betrieb gehen. Tatsächlich tat Berlin wie geheissen – mit den bekannten Folgen.

Vorsätzliche Provokation

Seit dem Zweiten Weltkrieg war die Welt nicht mehr so unsicher und fragil wie heute. Die Gefechtslage im Überblick: Die USA sind eine Weltmacht, die ihren historischen Zenit überschritten hat. Ihre beiden imperialen Konkurrenten Russland und China sucht sie mit allen Mitteln zu schwächen.

War Washington in der Vergangenheit bestrebt, einen Keil zwischen Russland und China zu treiben, suchen massgebliche Kreise der Biden-Administration nunmehr offenbar beide Länder gleichzeitig ins Visier zu nehmen. Die Reise nach Taiwan von Nancy Pelosi, der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, war eine ebenso bewusste wie vorsätzliche Provokation Chinas. Die Reaktionen Pekings, nämlich die grössten Militärmanöver seit langem an den Grenzen Taiwans durchzuführen, folgten umgehend.

Was hat Taiwan mit diesem Besuch gewonnen? Nichts, jenseits von Symbolismus. Hat Taiwan Anlass, sich vor Chinas möglicher Einverleibung zu fürchten? Selbstverständlich – auch das Reich der Mitte ist eine expansive Grossmacht.

Perspektivisch gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder kommt es zum Krieg zwischen der Nato hier und Russland sowie China dort. Das wäre potenziell das Ende der Menschheit. Oder aber die Akteure reden und verhandeln miteinander. Verständigen sich auf ihre jeweiligen Macht- und Einflussbereiche. Was hat die «nord-atlantische» Nato im Indo-Pazifik verloren? Was, wenn Russland oder China im Umfeld von Kuba oder Venezuela ähnlich Flagge zeigen würden wie die USA in Fernost?

Europa, allen voran die Noch-Exportmacht Deutschland, sollte sich nicht länger für US-Interessen einspannen lassen und auf eine Machtprobe mit China verzichten.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~
   Armin Scheider
      > Journalist

Die Presse muss die Freiheit haben, alles zu sagen,
damit gewisse Leute nicht die Freiheit haben, alles zu tun.


Nein zur Todesstrafe


Schnellantwort

Achtung: In diesem Thema wurde seit 120 Tagen nichts mehr geschrieben.
Solltest du deiner Antwort nicht sicher sein, starte ein neues Thema.

Achtung: Dieser Beitrag wird erst angezeigt, wenn er von einem Moderator genehmigt wurde.

Name:
E-Mail:
Shortcuts: mit Alt+S Beitrag schreiben oder Alt+P für Vorschau