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Zusammenfassung

Autor Bastian
 - 16. Juli 2022, 10:43:47
Über die Ceyhan-Kirkuk-Pipeline könnte Öl nach Europa gelangen. Der türkische Krieg und die deutsche Energiepolitik

Am 17. April 2022 hat die türkische Armee mit einer breit angelegten Invasion in Südkurdistan begonnen. Zehntausende Soldaten und militärisches Gerät sind in Bewegung versetzt worden. Die Truppen versuchen seitdem in die abgelegenen Bergregionen im Norden des Irak vorzudringen. Das türkische Verteidigungsministerium erklärt, Ziel der Operation »Schlosskralle« sei es, die Bewegungsfreiheit der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), der das unwegsame Gelände im Norden der Autonomieregion Kurdistan als Rückzugsort und Ausbildungsstätte dient, einzuschränken und die Guerillaverbände der »Volksverteidigungskräfte« (HPG) von der türkischen Grenze zu vertreiben. Es ist kein Novum, dass Ankara versucht, die Besatzungspolitik in den benachbarten Ländern mit dem vermeintlichen »Kampf gegen den Terrorismus« zu legitimieren. Unter dem Deckmantel von »Spezialoperationen« und »Antiterroreinsätzen« hat sich die Türkei seit 2016 weite Teile Syriens einverleibt und den Norden des Irak mit Dutzenden Stützpunkten und Militärlagern überzogen. Dass es der Türkei bei ihren wiederkehrenden Überfällen auf die Nachbarländer bei weitem nicht um den Schutz ihrer »legitimen Sicherheitsinteressen« geht, sondern das militärische Vorgehen fester Bestandteil einer aggressiven Expansionspolitik ist, wird mittlerweile auch von zahlreichen bürgerlichen Beobachtern hierzulande anerkannt.

Es liegt auf der Hand, dass es der politischen Führung in Ankara vor allem darum geht, die politischen Errungenschaften des kurdischen Volks zunichte zu machen und seine regionale Vormachtstellung durch Gebietsgewinne und Annexionen neuer Territorien zu festigen. Die Autonome Selbstverwaltung im Norden Syriens, welche der kurdischen Bevölkerung in Westkurdistan (Rojava) zum ersten Mal die Möglichkeit gab, ihre Geschicke in die eignen Hände zu nehmen, sowie der verfassungsrechtlich gesicherte Status der Autonomieregion Kurdistan im Nordirak waren dem Regime von Präsident Erdogan seit jeher ein Dorn im Auge. Auch wenn die Türkei und die südkurdische Regierungspartei KDP heute ein enges Verhältnis und besonders lebhafte wirtschaftliche Beziehungen pflegen, so sollte dennoch nicht vergessen werden, dass sich die offiziellen Stellen der Türkei weiterhin vehement weigern, die Region auch nur bei ihrem offiziellen Namen zu nennen. Die KDP mag für die Türkei nützliche »Drecksarbeit« im Kampf gegen die kurdische Befreiungsbewegung leisten, doch eine Türkei, die bis heute ihre nationale Identität über die Verneinung aller vom Konstrukt des »Türkischen« abweichenden Vielfalt konstruiert, ist weit davon entfernt, eine kurdische Existenz, ganz gleich wo in der Region, zu akzeptieren.

Langfristige Besatzung

Ein Blick auf die vom türkischen Militär besetzten Regionen Nordsyriens genügt, um zu erkennen, dass es der Türkei um die langfristige Besatzung und Annexion der besetzen Gebiete geht. Girespi, Serekaniye, Afrin, Al-Bab, Dscharabulus und weite Teile der Provinz Idlib werden heute de facto von den Gouverneuren der türkischen Grenzstädte verwaltet. Für Ordnung sorgen der türkische Geheimdienst und Spezialeinheiten von Polizei und Militär. Die Schulbildung findet zweisprachig statt – in Arabisch und Türkisch. Bezahlt wird mit der als offizielle Währung anerkannten türkischen Lira. In den eigenen Medien machen Erdogan und die Vertreter der türkischen Regierung keinen Hehl daraus, dass man die besetzen Gebiete als Teil des »vaterländischen Bodens« betrachtet. So erklärte Erdogan schon am 10. November 2016, in einer Rede anlässlich des 78. Todestags des türkischen Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk freimütig, dass »die Türkei, größer als die (heutige) Türkei« sei und das türkische Volk nicht in »780.000 Quadratkilometer« passe. Jüngst wiederholte der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu noch einmal die Parole von der »Großtürkei«, die sich nicht in enge Grenzen pressen lasse, als er am 24. Juni von seinen jüngsten Besuchen auf dem Balkan berichtete.

Was anmutet wie anachronistische Lebensraumrhetorik aus dem 20. Jahrhundert, ist blutiger Ernst. Die Vision eines neuen großtürkischen Reiches, dass sein angebliches historisches Erbe beansprucht, bedroht nicht nur die Kurden in der Region, sondern wird zunehmend zu einer Gefahr für alle Anrainer. Dass die legitimen Grenzen der Türkei nicht die international anerkannten Grenzen seien, sondern das im von der türkischen Nationalbewegung im Februar 1920 erklärten Nationalpakt (Misak-i Milli) beanspruchte Territorium umfassen sollten, ist dabei nicht nur die Position von Erdogan und seiner AKP, sondern eint die türkische Parteienlandschaft von der republikanischen CHP bis hin zur offen faschistischen MHP. Der Nordosten Griechenlands, die umstrittenen Inseln in der Ägäis, die Provinzen Mossul und Kirkuk im Nordirak und nach unterschiedlicher Auslegung auch Aleppo und der gesamte Norden Syriens wären demnach Teil des türkischen Staatsgebietes.

Vom Transfer- zum Förderland

Wenn Erdogan und sein Regime heute die Wiedererlangung verlorener Größe beschwören, dann geht es ihnen jedoch um mehr als bloß imperiale Nostalgie und die Mobilisierung nationalistischer Gefühle. Die in der ersten Hälfte der 1920er Jahre verlorenen Gebiete sind Schlüsselregionen in Fragen der Energieversorgung und das entscheidende Sprungbrett für den Aufstieg der Türkei zu einer schlagkräftigen Regionalmacht. Aufgrund ihrer geographischen Lage hat die Türkei sich schon immer als ein Transferland für Güter aller Art, unter ihnen auch fossile Energieträger, angeboten. In Zeiten, in denen die weltweiten fossilen Energievorkommen innerhalb einer Lebenszeit erschöpft sein werden, stellt die Kontrolle von unterirdischen Energiespeichern sowie der Förderung und des Transports von Energie eine scharfe geopolitische Waffe dar. Nicht zuletzt am Beispiel der westeuropäischen Staaten und der Russischen Föderation zeigt sich aktuell sehr deutlich, welche entscheidende Rolle der transkontinentale Energietransport in der global vernetzten Wirtschaftsordnung des 21. Jahrhunderts spielt. Die Transformation der Türkei von einem Transfer- zu einem Förderland ist heute ein wichtiger Etappenschritt des türkischen Großmachtprojekts. Die Erschließung neuer Quellen im Schwarz- und Mittelmeer sowie die Sicherung des Zugangs zu Gas- und Öl im Nordirak haben daher strategische Bedeutung.

Die Ambitionen der Türkei, sich zu einem Drehkreuz für Energie und zu einer verlässlichen Alternativquelle zu mausern, überschneiden sich dabei mit den Interessen der Mehrheit der europäischen Staaten, welche nicht erst seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine nach Alternativen zu russischem Gas und Öl suchen. Dass es früher oder später zur Eskalation zwischen der NATO und der Russischen Föderation kommen würde, das war auch in den westlichen Hauptquartieren und Regierungssitzen schon seit einigen Jahren eine feststehende Tatsache. Während Anfang der 1990er Jahre transatlantische Geostrategen wie Zbigniew Brzezinski noch von einer möglichen »Einbindung« des damals geschwächten ehemaligen Widersachers in das transatlantisch-europäische System träumten, zeigte sich spätestens seit dem Ende der 2000er Jahre und der russischen Intervention in Georgien sowie im Zuge des Krieges in Syrien und in der Ukraine, dass ein wiedererstarktes Russland seinen eigenen Weg gehen werde. Die Abhängigkeit von russischen Energieimporten stellt die europäischen NATO-Mächte dabei vor ein ernstzunehmendes Problem. Eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem geopolitischen Konkurrenten, der sich anschickt die westliche Weltordnung herauszufordern, kann nicht vom Zaun gebrochen werden, solange der Abbruch aller ökonomischen Beziehungen zwangsläufig den Zusammenbruch der eigenen Wirtschaft zur Folge hätte.

Ohne die Erschließung alternativer fossiler Energiequellen kann die Energieversorgung Europas und insbesondere der Bundesrepublik Deutschland zur Zeit nicht gewährleistet werden. Dass vor Beginn des Krieges noch 55 Prozent der deutschen Gasimporte aus Russland kamen, macht sich jetzt bei der sich anbahnenden Energiekrise in aller Härte bemerkbar. Die Versorgung der europäischen Märkte durch US-amerikanisches Flüssiggas wurde zwar lange Zeit als gangbare Alternative gehandelt, doch ist der logistische Aufwand für den Transport des wertvollen Energieträgers bei weitem höher als bei Gas aus der Pipeline. Unklar ist, ob überhaupt genug Transportkapazitäten zu See zur Verfügung stehen, um eine Versorgung langfristig zu gewährleisten. Spätestens mit dem Katar-Besuch des deutschen Wirtschaftsministers Robert Habeck im März dieses Jahres ist deutlich geworden, dass die Bundesrepublik bei der Suche nach Alternativen ihr Augenmerk auch auf den Mittleren Osten legt.

»Echte Alternative«

Mit Gas aus Katar, Israel und Ägypten soll der europäische Markt in Zukunft gesättigt und die Abhängigkeit von russischen Gasimporten zunehmend verringert werden. Doch scheint auch der Türkei eine besondere Rolle in den Zukunftsplänen zur Sicherung der europäischen Energiesouveränität zuzukommen. So berichtete das Magazin Business Insider unter Berufung auf ein Strategiepapier der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) schon im März, dass die Türkei zum zukünftigen »Energie-Hub für Europa« werden könnte. Das Papier stellt fest, dass »der Ausbau des südlichen Gaskorridors und die Nutzung der Türkei als strategischen Energie-Hub mit Zugang zu Gasvorkommen im Kaspischen Meer und östlichen Mittelmeer echte Alternativen bieten« würde. Auch die Potentiale für den Import von »aserbaidschanischem, turkmenischem, irakischem und in Zukunft auch iranischem Öl und Gas seien noch nicht ausgeschöpft«, so das Magazin.

Quelle: junge Welt