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Zusammenfassung

Autor Armin
 - 19. Oktober 2022, 09:18:05
🚨 KRIEG IN DER UKRAINE
30 Prozent zerstört

Russische Angriffe auf Energieinfrastruktur in Ukraine: Folgen für Bevölkerung zunehmend gravierend, Rückhalt aus Russland für Moskaus Strategie


Hauptstadt wieder im Visier: Raketeneinschlag in Kiew am Morgen des 10. Oktober


ZitatHintergrund: Fragwürdiges Mittel

Russische Überlegungen, die Ukraine durch die Zerstörung ihrer industriellen und Energieinfrastruktur an den Verhandlungstisch zu bombardieren, bestätigen die These, dass Militärs immer dazu tendierten, den letzten Krieg noch einmal auszufechten. Denn diese Strategie ist nicht neu; sie ist während des Zweiten Weltkriegs insbesondere von britischer Seite entwickelt worden: als die Strategie des »Moral Bombing«, des »Bombardierens der Kampfmoral«.

Entwickelt wurde das Konzept, Nazideutschland durch die Zerstörung seiner Infrastruktur zu schlagen, als Ergebnis einer strategischen Notlage Großbritanniens: nachdem sich seine Landstreitkräfte im Juni 1940 vom europäischen Kontinent hatten zurückziehen müssen, gab es abgesehen von Angriffen aus der Luft keine Möglichkeit mehr, Ziele in Deutschland zu treffen. Die einzelnen Eskalationsstufen waren jeweils als Reaktion auf deutsche Terrorangriffe gegen insbesondere Rotterdam und Coventry in Gang gesetzt worden. Ihnen lag aber ein durchdachtes Konzept zugrunde. Entwickelt vom britischen Physikprofessor Charles Lindemann, der im britischen Kriegskabinett saß und u. a. dafür argumentierte, lieber Arbeiterviertel als solche der Bourgeoisie oder Mittelklasse zu bombardieren. Diese seien enger bebaut, und dadurch könnten die beschränkten Vorräte an Bomben mit maximaler Effizienz genutzt werden.

Der Effekt auf die Bausubstanz deutscher Städte war verheerend. Aber die Erwartung, die Kriegsbereitschaft der deutschen Bevölkerung zu untergraben, schlug fehl. Im Gegenteil: Die Erfahrung der Angriffe auf ihre Wohnviertel schweißte die Bevölkerung eher noch enger mit dem Naziregime zusammen. Bis dessen Kapitulation aus anderen Gründen unausweichlich war. Dass Lindemanns Rezept nun gegenüber der Ukraine anschlägt, ist ebenso zweifelhaft.
Russland hat auch am Dienstag seine Raketenangriffe auf Ziele der Energieinfrastruktur in der Ukraine fortgesetzt. Besonders schwer waren offenbar die Schäden in Kiew und in der etwa 150 Kilometer westlich davon gelegenen Stadt Schitomir. Hier fiel nach Angaben der Stadtverwaltung flächendeckend die Strom- und Wasserversorgung aus; die Krankenhäuser mussten auf Notstromaggregate zugreifen. Dasselbe gilt für die Millionenstadt Dnipro (Dnepropetrowsk), wo Teile des Stadtgebiets ohne Strom und fließendes Wasser waren. Getroffen wurden auch der Bahnknotenpunkt Sinelnikowe südöstlich von Dnipro und die Kleinstadt Wasilkiwka, in der keine militärisch relevanten Betriebe vermerkt sind. In Charkiw wurden Lagerhallen mit Lebensmitteln sowie der Blumenmarkt zerstört; auch hier ist es schwierig, eine militärische Relevanz dieser Angriffe zu erkennen.

In Kiew wurde bei den Angriffen am Dienstag morgen ein großes Kraftwerk am nordöstlichen Stadtrand getroffen. Fotos vom Vormittag zeigten eine riesige schwarze Rauchwolke über dem Stadtbezirk Trojeschtschina auf dem linken Dnipro-Ufer. Der Bezirk ist in sowjetischer Zeit als Schlafstadt angelegt worden und heute der bevölkerungsreichste von Kiew. Hier leben nach Angaben der Stadtverwaltung etwa 300.000 Menschen, überwiegend in Wohnhochhäusern in Plattenbauweise. Die Stromausfälle führen zwangsläufig auch dazu, dass in diesen Häusern Aufzüge ausfallen und insbesondere ältere Bewohner ihre Wohnungen nur unter Schwierigkeiten verlassen können.

Bürgermeister Witali Klitschko teilte am Vormittag mit, im ganzen Stadtgebiet gebe es Strom- und Wasserausfälle. Aus dem – sozial besser gestellten – Stadtzentrum auf dem rechten Flussufer tauchten Bilder auf, die zeigen, wie Bewohner panikartig die Mineralwasservorräte der Supermärkte aufkauften; im Bezirk Trojeschtschina bildeten sich lange Schlangen vor öffentlichen Wasserabgabestellen.

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij teilte mit, dass seit dem 9. Oktober – dem Tag nach dem mutmaßlich ukrainischen Anschlag auf die Krim-Brücke – 30 Prozent der ukrainischen Kraftwerkskapazität zerstört worden seien. Selenskij nahm das zum Anlass, Russland Terror gegen die Zivilbevölkerung am Vorabend des Winters vorzuwerfen und jede Form von Gesprächen mit Moskau auszuschließen. Genau darum, die Ukraine zu solchen Verhandlungen zu zwingen, weil ohne sie ihre Lage noch schlimmer würde, geht es nach Darstellung russischer Medien aber der russischen Seite mit diesen Angriffen.

Das Portal Iswestija zitierte einen Militärexperten mit der Aussage, kurzfristig könne die Ukraine sicherlich die eine oder andere Anlage reparieren; wenn die Angriffe auf die Energieinfrastruktur aber noch zwei Wochen fortgeführt würden, gehe dies nicht mehr, und dann verliere die ukrainische Armee ihre Operationsfähigkeit. Das sei der Grund, warum der Westen angesichts der russischen Schläge ein »solches Geschrei« begonnen habe. Ziele der Energieinfrastruktur seien verwundbar, weil sie nicht vollständig geschützt werden könnten.

Durch den Ausfall der Stromversorgung verliere die ukrainische Armee »Licht, Wasser, Mobilfunk und Internet« sowie »normal funktionierende Eisenbahnen«, so der Experte. Als Folge werde es ihr schwerer fallen, Verstärkungen an die Front zu schicken, und die Lage der russischen Einheiten werde sich entsprechend entspannen. Der zitierte Fachmann zeichnete damit ein für offizielle russische Medien überraschend skeptisches Bild der Lage an der Front aus russischer Sicht. Abgeordnete der Staatsduma erklärten die Angriffe derweil zu einem Gebot der politischen Selbstachtung Russlands. Erst jetzt habe das Land begonnen, ernsthaft Krieg zu führen. Der Abgeordnete Konstantin Satulin sagte, wäre dies nicht geschehen, hätte niemand auf der gegnerischen Seite mehr die russischen Erklärungen über »rote Linien« und dergleichen ernst genommen. Auch aus dieser Einschätzung spricht ein im Grunde pessimistisches Lagebild eines Landes, das nicht mehr vollständig die Kontrolle über seine strategischen Entschlüsse zu haben scheint.

Quelle: junge Welt