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ZitatHintergrund: Fragwürdiges Mittel
Russische Überlegungen, die Ukraine durch die Zerstörung ihrer industriellen und Energieinfrastruktur an den Verhandlungstisch zu bombardieren, bestätigen die These, dass Militärs immer dazu tendierten, den letzten Krieg noch einmal auszufechten. Denn diese Strategie ist nicht neu; sie ist während des Zweiten Weltkriegs insbesondere von britischer Seite entwickelt worden: als die Strategie des »Moral Bombing«, des »Bombardierens der Kampfmoral«.
Entwickelt wurde das Konzept, Nazideutschland durch die Zerstörung seiner Infrastruktur zu schlagen, als Ergebnis einer strategischen Notlage Großbritanniens: nachdem sich seine Landstreitkräfte im Juni 1940 vom europäischen Kontinent hatten zurückziehen müssen, gab es abgesehen von Angriffen aus der Luft keine Möglichkeit mehr, Ziele in Deutschland zu treffen. Die einzelnen Eskalationsstufen waren jeweils als Reaktion auf deutsche Terrorangriffe gegen insbesondere Rotterdam und Coventry in Gang gesetzt worden. Ihnen lag aber ein durchdachtes Konzept zugrunde. Entwickelt vom britischen Physikprofessor Charles Lindemann, der im britischen Kriegskabinett saß und u. a. dafür argumentierte, lieber Arbeiterviertel als solche der Bourgeoisie oder Mittelklasse zu bombardieren. Diese seien enger bebaut, und dadurch könnten die beschränkten Vorräte an Bomben mit maximaler Effizienz genutzt werden.
Der Effekt auf die Bausubstanz deutscher Städte war verheerend. Aber die Erwartung, die Kriegsbereitschaft der deutschen Bevölkerung zu untergraben, schlug fehl. Im Gegenteil: Die Erfahrung der Angriffe auf ihre Wohnviertel schweißte die Bevölkerung eher noch enger mit dem Naziregime zusammen. Bis dessen Kapitulation aus anderen Gründen unausweichlich war. Dass Lindemanns Rezept nun gegenüber der Ukraine anschlägt, ist ebenso zweifelhaft.
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