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Zusammenfassung

Autor Liam
 - 27. Juli 2022, 09:18:21
Getreidelieferungen, Aufrüstung und militärische Zusammenarbeit: Russlands Außenminister auf Afrikareise

ZitatHintergrund: Anpassung
Eins sei klar – »die gegenwärtige geopolitische Lage« verlange »eine gewisse Anpassung an die Mechanismen unserer Interaktion«: Das hatte Russlands Außenminister Sergej Lawrow in einem Beitrag geschrieben, der anlässlich seiner Afrikareise in mehreren Zeitungen auf dem afrikanischen Kontinent erschien. Mit »Anpassung« meinte Lawrow vor allem Schritte, die den Zahlungsverkehr im internationalen Handel »gegen auswärtige Einmischung sichern« sollten. Russland gehe in wachsendem Maß »zur Nutzung nationaler Währungen und Zahlungssysteme« über, erklärte Lawrow. Man arbeite »hart daran, den Anteil von Dollar und Euro im wechselseitigen Handel schrittweise zu reduzieren«. Im Kern gehe es dabei um den Aufbau eines Finanzsystems, das »sicher gegen potentielle Beeinflussung seitens unfreundlicher Staaten«, sprich: gegen Sanktionen, sei.

Russland hat damit im Handel unter anderem mit China und mit Indien längst begonnen. Es griff dabei zuletzt sogar schon auf eine Währung aus einem Drittstaat zurück: auf den Dirham aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Und es weitet das System jetzt auch auf den afrikanischen Kontinent aus. Mitte Juni teilte Ägyptens Minister für Handel und Industrie, Nevine Gamea, am Rand des Sankt Petersburg International Economic Forum mit, Moskau und Kairo hätten beschlossen, einen Zahlungsmechanismus einzuführen, der mit Rubel und ägyptischen Pfund funktioniere und keine westliche Währung mehr benötige. Der unmittelbare Anlass war, dass die westlichen Finanzsanktionen die Bezahlung russischer Weizenlieferungen an Ägypten verhinderten.

In ägyptischen Wirtschaftskreisen ist der Schritt nicht unumstritten. Das sei zwar günstig für Moskau, für Kairo aber nicht. Die Maßnahme sei rein politisch motiviert. Das trifft wohl zu: Sie ist Teil der Orientierung auf eine nicht mehr vom Westen und seinen Währungen dominierte multipolare Welt.
Fünf Tage, vier Länder: Russlands Außenminister Sergej Lawrow verliert bei seiner aktuellen Afrikareise keine Zeit. Der alte Einflusskampf um den Kontinent ist neu entbrannt, seit die dortigen Staaten dem Westen im Ukraine-Krieg die Gefolgschaft verweigern. Nur 28 von 54 afrikanischen Ländern stimmten am 2. März in der UN-Generalversammlung dafür, Russland für seinen Angriff auf die Ukraine zu verurteilen. Kein einziges schloss sich bisher – trotz erheblichen Drucks – den westlichen Russland-Sanktionen an.

Die Mächte EU-Europas und die USA geben nicht klein bei. Kanzler Olaf Scholz bereiste den Kontinent Ende Mai, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist aktuell dort unterwegs, und Washington hat seinen Sondergesandten für das Horn von Afrika in dieser Woche nach Äthiopien und nach Ägypten geschickt. Moskau hält seit Sonntag mit Lawrows Besuchen in Ägypten, der Republik Kongo (»Kongo-Brazzaville«), Uganda und Äthiopien dagegen.

Es fehlt an Masse

Es ist nicht neu, dass Russland seine Position auf dem afrikanischen Kontinent zu stärken sucht. Bereits vor Jahren begann das Land, sein Geschäft in der Region auszubauen. Was das Handelsvolumen angeht, ist der Erfolg bislang mäßig. Im Jahr 2020 lag es bei rund 14 Milliarden US-Dollar – nicht einmal ein Drittel des deutsch-afrikanischen Handels (knapp 44 Milliarden Euro), sogar deutlich weniger als der Afrikahandel der Türkei (gut 25 Milliarden US-Dollar) und kein Vergleich mit China, dessen Handel mit dem Kontinent 2020 nur wegen der Coronakrise auf 176 Milliarden US-Dollar fiel. Aktuell wiegt schwer, dass Afrikas Hauptimportgut aus Russland Getreide ist: Sowohl die zeitweise drastisch gestiegenen Preise als auch die Störung des Handels durch die westlichen Russland-Sanktionen gefährden die russischen Lieferungen. Das Thema nimmt einen wichtigen Stellenwert bei Lawrows aktuellen Gesprächen ein.

Fehlt es Russland beim Handel mit Afrika bislang an Masse, so macht es dies durch eine Schwerpunktsetzung auf Rüstung und Militär wett. Russische Waffenschmieden konnten ihre Ausfuhren auf den Kontinent in den vergangenen Jahren deutlich steigern. Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI beziffert ihren Anteil an Afrikas gesamter Großwaffeneinfuhr in den fünf Jahren von 2017 bis 2021 auf 44 Prozent – deutlich mehr, als die USA (17 Prozent), China (zehn Prozent) und Frankreich (6,1 Prozent) liefern. Russland konnte zudem seinen Einfluss mit Hilfe von Militärausbildern und privaten Militärfirmen ausbauen, die es nicht nur in die Zentralafrikanische Republik, sondern auch nach Mali entsandt hat. Militärische Kooperationsabkommen hat es unter anderem auch mit Nigeria, mit Äthiopien und (im April) mit Kamerun geschlossen. In der Zentralafrikanischen Republik und in Mali verdrängt es zunehmend die Staaten der EU.

Russland-Afrika-Gipfel

Eine engere Militärkooperation stellte Lawrow auch Denis Sassou-Nguesso in Aussicht, dem Präsidenten der Republik Kongo, in deren Hauptstadt Brazzaville er sich am Montag aufhielt. Daneben ging es insbesondere um Kongos Bemühungen, in den inneren Machtkämpfen in Libyen zu vermitteln. Russland, das mit privaten Militärfirmen in Libyen präsent ist, hat den kongolesischen Aktivitäten Unterstützung zugesagt.

In Uganda, wo Lawrow am Dienstag Gespräche führte, und in Äthiopien, wo er am Donnerstag seine Afrikareise beenden wird, profitiert Moskau davon, dass die Regierungen beider Länder zuletzt in Konflikt mit dem Westen geraten sind. Gegen Äthiopien haben die Vereinigten Staaten im vergangenen Jahr sogar Sanktionen verhängt – weil sich die Zentralregierung militärisch gegen einen von der Provinz Tigray ausgehenden bewaffneten Aufstand verteidigt. In Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba, in der die Afrikanische Union (AU) ihren Sitz hat, will Lawrow an diesem Mittwoch die Botschafter mehrerer afrikanischer Staaten empfangen. Laut Berichten haben die Pläne für das Treffen heftigen Protest seitens mehrerer westlicher Staaten ausgelöst.

Zu den übergeordneten Zielen von Lawrows Reise gehört es, den zweiten Russland-Afrika-Gipfel vorzubereiten, der Mitte nächsten Jahres stattfinden soll. Zum ersten derartigen Treffen im Oktober 2019 in Sotschi waren mehr als 40 afrikanische Staats- und Regierungschefs angereist. Der zweite Gipfel soll den Ausbau der Beziehungen forcieren. Aus russischer Sicht drängt die Zeit, denn nicht alle Rivalen schlafen: Washington hat ein eigenes Gipfeltreffen mit afrikanischen Staats- und Regierungschefs im Dezember in Aussicht gestellt. Für Moskau günstig sind dabei die globalen Kräfteverschiebungen. Afrikas Regierungen hätten begonnen, sich an eine multipolare Welt anzupassen, in der sich »die Machtzentren verlagern«, urteilte am Dienstag die einstige malische Außenministerin Kamissa Camara gegenüber der britischen Tageszeitung Financial Times. Dass die transatlantischen Mächte, die dabei deutlich an Einfluss verlieren, ehemalige Kolonialmächte sind, könnte die Kräfteverschiebung auf dem afrikanischen Kontinent noch zusätzlich beschleunigen.

Quelle: junge Welt