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Zusammenfassung

Autor Bastian
 - 26. Oktober 2022, 08:36:39
🚨 WIEDERAUFBAU UND KORRUPTION
Kiew präsentiert Rechnung

Selenskij fordert von »Geberkonferenz« in Berlin mindestens drei Milliarden Dollar monatlich. Scholz besteht auf »Transparenz«


Das wird teuer. Bundeskanzler Olaf Scholz und der ukrainische Regierungschef Denis Schmigal am Dienstag in Berlin

Auf einer internationalen »Geberkonferenz« für den Wiederaufbau der Ukraine in Berlin hat der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij rasch mehr Geld für sein Land verlangt. In einer Videoansprache sagte Selenskij, allein für das kommende Jahr benötige die Ukraine 38 Milliarden US-Dollar zur Deckung ihres laufenden Haushaltsdefizits. Andere Vertreter der Kiewer Regierung nannten noch höhere Zahlen, so der ukrainische Minister für regionale Entwicklung, Olexij Tschernischow. Er bezifferte in einem Interview mit dpa den Bedarf auf monatlich fünf Milliarden US-Dollar, also 60 Milliarden im Jahr. Das ukrainische Finanzministerium hatte auch schon einen Zuschussbedarf von neun Milliarden Dollar pro Monat genannt.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen erklärte sich namens der EU bereit, der Ukraine monatlich 1,5 Milliarden US-Dollar zur Verfügung zu stellen. Für den Rest rief sie die sogenannte Weltgemeinschaft auf, in die Bresche zu springen. Jeder Euro, jeder Dollar, jedes Pfund und jeder Yen für die Ukraine seien Investitionen in die demokratischen Werte weltweit, sagte sie bei der Eröffnung der Berliner Konferenz. In einem gemeinsamen Namensartikel für die FAZ vom Montag hatten von der Leyen und Bundeskanzler Olaf Scholz aber auch an mehreren Stellen den zentralen Stellenwert von »Transparenz« und »Nachvollziehbarkeit« des Flusses der zu erwartenden Hilfsgelder hervorgehoben – ein kaum verhüllter Hinweis auf die nach wie vor in der Ukraine herrschende Korruption.

Der CSU-Politiker Thomas Silberhorn wurde deutlicher und machte gegenüber der Augsburger Allgemeinen vom Dienstag die westlichen Finanzhilfen unmittelbar von neuen Anstrengungen Kiews zur Korruptionsbekämpfung abhängig: »Mit unseren Hilfen dürfen wir nicht die Schattenwirtschaft der Oligarchen füttern«, warnte er. Der ukrainische Regierungschef Denis Schmigal versprach in Berlin einstweilen eine »Liberalisierung des Arbeitsrechts«, also eine weitere Lohnsenkung und Entmachtung von Gewerkschaften. Das sei auch während des Krieges schon möglich, sagte er.

Die Linkspartei forderte unterdessen einen Schuldenschnitt für die Ukraine. Ihr Kovorsitzender Martin Schirdewan sagte am Dienstag, es sei sinnlos, dass die Ukraine aufgelaufene Schulden bei westlichen Banken bedienen müsse, während sie gleichzeitig frische Hilfsgelder erhalte. Er schlug vor, zur Finanzierung der Hilfen russisches Vermögen im Westen, das derzeit nur eingefroren ist, zu beschlagnahmen. Juristen im Westen halten ein solches Vorgehen für rechtlich außerordentlich problematisch, weil eine Beschlagnahme unter anderem den Nachweis einer persönlichen Verantwortung des betreffenden Eigentümers für die Kriegsplanung voraussetzen würde. Es wurde auch vor einem aus Sicht der bürgerlichen Eigentumsordnung gefährlichen Präzedenzfall gewarnt.

Im Hintergrund der »Geberkonferenz« schwelt offenbar ein Konflikt zwischen den USA und der EU, wer die Rechnungen des Krieges bezahlen soll. Wie die FAZ am Dienstag berichtete, verlangen die USA von der EU, erstens mehr Geld bereitzustellen, da Washington den Löwenanteil der westlichen Waffenhilfe für die Ukraine bestreite, und zweitens, dieses Geld als verlorenen Zuschuss und nicht als Kredit zu gewähren. Washington bestehe auch darauf, dass eine künftige Koordinationsstelle für die Verteilung des Geldes von einem US-Vertreter geleitet werden müsse.

Quelle: junge Welt