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ZitatHintergrund: Wichtiger Frontstaat
Man kann die Annäherung an eine Einigung zwischen der EU-Kommission und Polen über die Rechtsstaatlichkeit zwischen Oder und Bug natürlich allgemein damit erklären, dass sich Brüssel und die Mitgliedstaaten immer von Kompromiss zu Kompromiss hangeln und dass dies eben das Typische an EU-Politik sei. Das stimmt, erklärt die Sache aber nur zur Hälfte.
Denn mit ihrer Kritik an der Verletzung rechtsstaatlicher Standards in Polen bewegte sich auch die EU-Spitze auf dünnem Eis. Sie hat sich zwar den Rechtsstaat in ihre Grundlagendokumente geschrieben, aber die Justiz als die Sphäre des Staatshandelns, in der dieser Rechtsstaat sich zentral realisiert, bleibt im Kern eine Kompetenz der Mitgliedstaaten. Daher hat die polnische Regierung immer darauf bestanden, dass die EU ihr in die Organisation ihres Gerichtswesens – und darum ging es rechtstechnisch in den Änderungen, die jetzt wohl teilweise zurückgenommen werden sollen – nicht hereinzureden habe. Nicht völlig von der Hand zu weisen war auch die Kritik der polnischen Seite, dass der Konflikt wesentlich durch eine expansive Rechtsprechung von EU-Gerichten hervorgerufen worden sei. Insbesondere der Gerichtshof der Europäischen Union in Luxemburg (EuGH) versuche ständig, seine eigenen Kompetenzen zu Lasten der Justiz der Mitgliedstaaten auszuweiten. Das ist zweifellos so, und auch das Bundesverfassungsgericht hat hier schon mehrfach Einwände erhoben – allerdings nicht gegen Entscheidungen des EuGH, sondern sozusagen über die Bande gegen Beschlüsse der Europäischen Zentralbank. Was im Kern auf dasselbe hinausläuft: den Vorbehalt nationaler Souveränität.
Zwingen kann die EU ihre Mitgliedstaaten direkt nicht, sie hat ja keine Exekutivgewalt ihnen gegenüber; was ihr aber zu Gebote steht, ist der finanzielle Hebel. Ungarn hat das gerade zu spüren bekommen, als ihm Brüssel Zuschüsse in Höhe von knapp sechs Milliarden Euro aus diversen Strukturfonds einfror – angeblich wegen der Gefahr der Veruntreuung dieser Mittel. Eigentlich hatten es sogar über sieben Milliarden sein sollen, die Budapest vorenthalten wurden, aber als Ungarn sein Veto gegen die 18 Milliarden Euro zugunsten der Ukraine fallenließ, wurde die nicht an die Magyaren zu zahlende Summe wundersam um 1,2 Milliarden Euro geringer. Da gab es offenkundig einen Rabatt für geopolitisches Wohlverhalten.
Und das ist auch der entscheidende Punkt, warum nicht nur Polen der EU entgegenkommt, sondern auch diese Polen: Das Land ist der zentrale Frontstaat in der Auseinandersetzung mit Russland. Will Brüssel in Warschau nicht allen Einfluss an die USA verlieren, muss es sich ebenfalls bewegen und den Nikolaus spielen: mit einem Griff in den Geldsack und dem Wegstecken der Rute.
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