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💡 MEDIEN UND PROPAGANDA Krieger gesucht

Begonnen von Bastian, 28. Oktober 2022, 08:31:07

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Bastian

💡 MEDIEN UND PROPAGANDA
Krieger gesucht

Neue Bundeswehr-Fernsehserie zur »Zeitenwende« und mentalen Aufrüstung gegen Russland


Kanonenfutter wird knapp – Kabel eins hilft der Bundeswehr beim Rekrutieren

Nichts sei mehr, wie es war. »Es herrscht Krieg in Europa«, wird der Zuschauer schon im Vorspann in Alarmbereitschaft versetzt. »Wenn Russland nicht in der Ukraine gestoppt wird, dann sind wir möglicherweise morgen die nächsten«, erklärt ein Soldat in der neuen Reportagereihe »Unsere Bundeswehr: Missionen, Menschen, Emotionen« des Senders Kabel eins den zwingenden Grund. Die erste der jeweils 90minütigen Folgen wurde am Donnerstag zur Primetime ausgestrahlt; drei weitere werden im November zu sehen sein.

Militainment zur Primetime

Bereits 2006 hatte der Trashsender RTL die Mobilisierungsoffensive für deutsche Normalisierung und Armee im Auslandseinsatz mit einer Dokureihe begonnen, für die Sonja Zietlow, die auch das Dschungelcamp moderiert, jeweils in eine Teilstreitkraft »eingezogen« worden war. Militainment fürs »Frauentausch«-Publikum. »Sehr objektiv«, »wertschätzend«, aber keine Werbung sei nun die neue Produktion, verspricht Kabel-eins-Chef Marc Rasmus – und ohne jegliche »redaktionelle Einflussnahme« durch die Streitkräfte entstanden, versichert der Sender auf Nachfrage von jW.

Aber wie alle Bundeswehr-Reality-Soaps, »Die Rekruten«, »Mali« und »KSK«, setzt auch diese Produktion auf subjektives »Storytelling« aus unmittelbarer Alltagsnähe. Von den Protagonisten mit »Traumberuf« Soldat sind praktisch nur die gewohnten Bundeswehr-PR-Phrasen, etwa: »Frieden und Freiheit – das ist nun mal nicht umsonst«, zu vernehmen. Informationen vom Experten, einem Oberst a. D. Wolfgang Schneider, gibt es nur über die vorgestellten Einheiten, Waffentechnik und Ausrüstung. Das Fehlen historischer und politischer Kontexte sorgt dafür, dass die Reportage garantiert aufklärungsfrei bleibt.

Die Heide brennt

So kann man Einsatzführungsfeldwebel »Andi« beim Spaghetti-Bolognese-Essen in einer AWACS-Maschine im Luftraum über dem Schwarzen Meer und seinen Kameraden von der Marine auf der Fregatte »Nordrhein-Westfalen« bei der Bewältigung simulierter Gefahrenlagen zuschauen. Hautnah dabei darf man auch sein, wenn bei einer Übung des Heeres ein kleines Malheur passiert: »Die Heide brennt!« heißt es plötzlich, nachdem »Leopard-2«-Panzerfahrer im freien Feld auf einen »Feind« geschossen haben. Manchmal gießen die Streitkräfte aber auch Öl ins Feuer: Es entziehe sich schlichtweg seiner Kenntnis, ob die USA nicht mit Hilfe der Bundeswehr und für die Sicherung der Bündnisverteidigung ermittelte NATO-Aufklärungsdaten an das Nichtmitglied Ukraine weiterreichten, sagt Oberst Schneider mit einem bemerkenswerten Anflug triumphalen Lächelns und erinnert – in dem einzigen überraschenden Moment der ersten Folge – daran, dass Deutschland längst am Krieg gegen Russ�land beteiligt sei.

»Spannend, spannend, spannend«, wie Kabel-eins-Sprecher Michael Ulrich sie anpreist, ist die Serie nicht. Wie alle Kulturindustrieprodukte verspricht sie reißerisch »brutale Realität«, um diese nur ja nicht zu zeigen. Der Schrecken des meist grausamen Endes eines jungen Heldenlebens auf den Schlachtfeldern wird radikal ausgeblendet, indem man den Tod zum »maximalen Beitrag, den man leisten kann«, rationalisiert. Die gähnende Inhaltsleere wird mit den konventionellsten kulturindustriellen Mitteln in Szene gesetzt und dramatisiert: »Top-Gun«-Hightechästhetik, Elitekämpferpathos, das Abendrot, das als Gegenlicht und Vorschein von Soldatenschicksalen durch die Flugzeugfrontscheibe strahlt, sowie schlagwerkreiche Bombast-Orchestermusik à la Hans Zimmer und Rockballaden sorgen solange für die Aufrüstung der Sinne und Gefühle, bis der kritische Verstand endgültig kapituliert.

Sehr aufschlussreich sind allerdings die Äußerungen von Oberst a. D. und NATO-Strategieberater Ralph Thiele auf der Pressekonferenz zur Doku�serie zu den Anliegen einer Bundeswehr, die einem »wertebasierten« Imperialismus zu dienen hat (und gegenwärtig mit einem drastischen Anstieg der Zahl der Kriegsdienstverweigerer unter den Reservisten und Ungedienten konfrontiert ist): Die Streitkräfte müssten nun »wieder stark gemacht« und »von der Bevölkerung mitgetragen werden«, forderte Thiele und stimmte ein Requiem auf den demokratischen »Bürger in Uniform« an. Angesichts der »schrecklichen Taten« des »sehr, sehr rabiaten« russischen Gegners bedürfe es eines »Kulturwandels für den Soldaten«. Es sei jetzt ein »besonderer Typus« mit hoher Motivation gefragt. »Wir brauchen de facto Krieger.«

Quelle: junge Welt
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Bastian Gruber
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